Verfasserin: Julia 


Es war einmal ein Pferd. Ein sehr süßes Pferd, und auch recht jung. Das wurde anlongiert. Eigentlich passierte dies sehr durchdacht und mit viel Geduld, aber das Pferd war von der Idee des Longierens so gar nicht angetan und begann, die Longenführerin so über den Platz zu ziehen, dass ihre Bremsspuren im Sand 1,50 Meter lang waren. Dies geschah nicht nur einmal, sondern häufig. Ab und an gelang es dem Pferd, seiner Besitzerin sogar die Longe aus der Hand zu reißen, und es war sehr einfallsreich, um dies immer wieder zu schaffen. Jeder, der dieses Paar arbeiten sah, war sich sicher: Aus diesen beiden Lebewesen wird: nichts.


Es war einmal ein Pferd. Es war ein sehr süßes Pferd, allerdings schon etwa 4 ½ Jahre alt. Wenn seine Besitzerin mit ihm ausreiten ging, fing es manchmal so sehr zu bocken an, dass der Frau die Brille von der Nase fiel. Das geschah bevorzugt dann, wenn dem Pferd etwas nicht passte, etwas nicht nach seiner eigenen Nase ging. Überholte ein anderes Pferd es oder kam von hinten zu schnell an es heran, ging das Pferd durch. An Anhalten war nicht zu denken, und seine Besitzerin hatte mehr als einmal große Angst auf dem Rücken ihres Pferdes. Ob die Beiden jemals ein erfolgreiches Ausreitteam werden würden? Das war zu bezweifeln…


Es war einmal ein Pferd. Ein sehr süßes Pferd, genauso alt wie das eins weiter oben. Es war sehr schmal gebaut und tat sich mit der Balance beim Reiten unglaublich schwer. Es schwankte stets von links nach rechts und konnte kaum geradeaus gehen. Auch den Takt konnte es nie halten und seine Besitzerin tat sich sehr schwer damit, es dabei zu unterstützen, denn sie lernte gerade selber erst „richtig“ reiten, obwohl sie schon seit Jahren ritt. Vor allem der Rechtsgalopp wollte so gar nicht klappen, und ein bekannter Ausbilder, bei dem sie zu einer Sitzschulung war, sagte einst zu ihr: „Dieses Pferd wird nie rechts galoppieren können.“ Die junge Frau war nach dieser Aussage am Boden zerstört und tieftraurig. Dabei war ihr einziges Ziel, dieses Pferd irgendwann gesunderhaltend reiten zu können! Doch ob ihr das jemals gelingen würde…?


Es war einmal ein Pferd. Ein sehr schönes Pferd und ungefähr 10 Jahre alt. Im Gelände war dieses Pferd eine Lebensversicherung. Er war bereits einige Wanderritte gelaufen und hatte bewiesen, dass ihn weder Flussdurchquerungen, noch Treppen, noch Schnellstraßen aus der Ruhe bringen. Lediglich vor schlecht gelaunten Emus, die ihn schnatternd und mit gespreizten Flügeln angingen, erschreckte er sich einmal. Er brachte seine Reiterin stets sicher nach Hause und lehrte so manches jüngere Pferd, entspannt draußen zu laufen. Er war ein wahrer Schatz im Gelände, stets regulierbar, immer motiviert und zuverlässig. Seine Reiterin wurde um dieses Pferd beneidet.


Es war einmal ein Pferd. Ein sehr schönes Pferd und ungefähr 8 Jahre alt. Es war seit knapp vier Jahren unter dem Sattel und bereits sehr ordentlich ausgebildet. Es lief zuverlässig alle Seitengänge und begann eines Tages, daraus die Passage anzubieten. Was für ein tolles Pferd, und wie beneidenswert seine Reiterin war, solch ein wundervolles Pferd zu besitzen, das so motiviert und freudig mitarbeitete!


Es war einmal ein Pferd. Ein sehr schönes Pferd und etwa 9 Jahre alt. Es war kein „Kind“ mehr wie die Pferde von oben, sondern bereits ein selbstbewusster, freundlicher und erwachsenerer Wallach. Seine Besitzerin führte ihn in die Pilaren und zog die Riemen durch die Ringe an den hohen Holzpfählen. Gelassen ließ der Wallach seine Hinterhand mobilisieren, um danach zu einer formschönen, ausgereiften Piaffe überzugehen. An der Longe und an der Hand war das Pferd längst ein Profi, nun zeigte er, dass er noch mehr drauf hatte und sorgte für Begeisterungsstürme. Besäße man doch selbst nur so ein Pferd…


Sechs verschiedene Pferde, sechs sehr verschiedene Geschichten. Oder?


Tatsächlich sind es sechs sehr verschiedene Geschichten – doch sie drehen sich alle um ein und das selbe Pferd. 


Mein erstes Pferd, welches inzwischen 13 Jahre alt ist (und seine Geschichte ist noch lange nicht zu Ende!).

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Doch wie ist das möglich?


Dank Fleiß, Mühe, Disziplin und Herzblut. Kompetenter Hilfe und der Bereitschaft, diese anzunehmen. Und niemals aufzugeben.


Warum ich das aufschreibe? Etwa fishing for compliments?!


Gewiss doch auch. (wer tut das nicht?)


Doch in erster Linie deshalb, weil ich gerade WIEDER ein Jungpferd im Stall stehen habe, das mir gerne mal beim Führen den Strick aus der Hand reißt und mit wehenden Fahnen davongaloppiert, wenn ihm was nicht passt. (an dieser Stelle ein herzliches Danke an alle, die ihn wieder vor seiner Box eingesammelt haben!)


Vor dem Hänger das Steigen anfängt.


Die Hilfen beim Longieren noch nicht ganz begriffen hat.


Und noch sehr unsicher bei neuen Dingen ist.


Und immer dann, wenn ich kurz vor dem Verzweifeln bin, und mir die Haare raufe, und mit der Fassung ringe, weil ich mich selbst für zu blöd halte, auch nur irgendwas mit ihm zu erarbeiten oder ihm beizubringen, erinnere ich mich an die Teeniezeit meines ersten Pferdes.


Das beim Führen gerne herumstieg.


Mich beim Longieren über den Platz zog.


Mich mehr als ein Mal auf dem Reitplatz abgesetzt hat.


Keinen Meter ohne zu schwanken laufen konnte.


… und aus dem trotzdem etwas sehr, sehr schönes wurde.


:-)