Verfasserin: Julia
Das Schönste am Umgang mit jungen Pferden? Jeder Tag ist anders und sie sind immer wieder für eine Überraschung gut!
Bretzel war die letzten Tage wirklich vorbildlich. Er beginnt sich mehr und mehr auf die Dinge einzulassen, die ich ihm „vorsetze“, und lernt, nicht einfach davonzurennen, sondern nachzufragen und mir zu vertrauen.
Erstes Beispiel:
Neulich hat jemand am Stall seine Winterreifen inklusive Felgen abgespritzt und diese auf dem Weg zum Reitplatz zum Trocknen an den Rand gestellt. Die silbernen Felgen wirkten so hell wie Lichtstrahler, weil die Sonne direkt auf sie schien. Für Pferd 1, den ich zuerst arbeitete, kein Problem: Kurz gucken, ignorieren und weiterlaufen ohne auch nur zu stocken.
Anders die Bretzel eine Stunde später: Drauf zu laufen, die Felgen registrieren, stocken und Kopf hochreißen. Ein hoch spannender Moment! Geht die Bretzel doch gerne mal, wenn er was blöd findet.
So aber nicht an diesem Tag. Da stand sie, die kleine Giraffe, mit aufgerissenen Nüstern und Augen, und wägte ab. Das Abwägen alleine war schon ein Gewinn, aber es wurde noch besser: Bretzel senkte den Kopf, ohne den Blick von den Felgen abzuwenden, und stupste mich vorsichtig an. „Hey Mensch. Was soll ich tun? Ist das gefährlich?“
Ein Meilenstein!
Bretzel ging nicht verloren. Bretzel bekam einen Keks und traute sich dann mit mir an den bööööösen Felgen vorbei.
Beispiel 2:
Am Wochenende hatte Bretzel sein erstes richtiges Fotoshooting. Also nicht nur eine Freundin mit der Handykamera, sondern ein professioneller Fotograf mit Leinwand, Reflektoren und Strahlern rückte an, unsere Reithalle war verkabelt wie eine Intensivstation im Krankenhaus. Ich hatte alle am Shooting Beteiligten schon darauf vorbereitet, dass gleich ein noch grünes Pferd den Raum betreten würde und jeder sich auf Unvorhergesehenes gefasst machen solle.
Meine Sorge war es, nicht einmal bis in die Halle zu kommen: Bretzel würde das technische Gerät sehen und beschließen, dass das nicht zu seinem Aufgabenbereich gehört – und gehen. Vorsorglich hatte ich mich schon bewaffnet: Gerte, Führkette, Handschuhe.
Bretzel kam mit hinunter zur Reithalle, fand schon den geparkten VW-Bus davor bedenklich und stockte vor dem Hallentor, denn er hatte den Aufbau darin erspäht.
Ich ließ ihn kurz stehen, redete ihm gut zu und machte dann entschlossen einen Schritt in die Halle.
Und was soll ich sagen? Mein junges Pferd machte ALLES mit. Er war mustergültig brav und ließ sich in dem kleinen Areal vor der Leinwand schicken.
Selten war ich SO stolz auf ihn, ein echtes Erlebnis!
Bretzel war also super vorbildlich die letzten Tage!
Bis:
Gestern.
Ich hatte nur eine Stippvisite bei den Jungs geplant, da ich noch einen Arzttermin und somit wenig Zeit hatte. Entsprechend war ich im Nicht-Stalllook, vor allem aber trug ich nur Halbschuhe ohne Profil, denn größere Wanderungen waren nicht geplant.
Nun wollte es der Zufall so, dass gerade just, als ich meine Pferde auf der Koppel beschmuste, alle Pferde wieder in den Stall gebracht werden sollten. Ich bot mich natürlich an, meine beiden Herren hineinzubringen, warum auch nicht? An die profillosen Schuhe und das junge Pferd dachte ich gar nicht mehr, er war ja so anständig die letzten Tage!
War er auch zunächst beim Führen. Ganz artig ging er links von mir, mein älterer Herr rechts von mir.
Zum Stall zurück muss man ein kurzes Stück steil den Berg runter, und da das die Haupteinflugschneise zur Koppel ist, besteht der Boden dort nur noch aus Staub und Steinen, Grip hat man da als Mensch keinen. Erst recht nicht in Turnschuhen.
Bretzel aber offensichtlich schon.
Denn schneller als ich schauen konnte (nur eine von Bretzels vielen Qualitäten!), hatte mir der Stinkstiefel von Jungpferd den Strick durch die Hand gezogen und war den Berg schräg hoch zum Gras gerannt.
Natürlich hatte ich ihn nicht gleich losgelassen; aber erstens brannte sich der Strick wie ein Feuer in meine Hand und zweitens war ich mit den Schuhen in etwa so standsicher wie ein Schlitten auf einem vereisten Abhang.
Ich hatte schlicht keine Chance, er hatte mich kalt und absolut unvorbereitet erwischt.
Wie ich danach erfuhr, hatte er das Spiel am Tag zuvor bereits zum ersten Mal erfolgreich gespielt. Und dann beim zweiten Mal direkt wieder gewonnen. Mist!
Glücklicherweise kam die Bretzel nicht weit: Von oben kam unsere Pferdewirtin mit den nächsten Pferden, unten stand ich mit meinem Erstpferd und ließ ihn nicht vorbei. Bretzel resignierte entsprechend schnell, mein erstes Pferd konnte ich an unsere Pferdewirtin abgeben und den Halunken nun einzeln den Berg runterführen. Unten war der Bach: nächstes Drama! Aber erfreulicherweise nur kurz.
Bretzel sprang halb drüber, halb trabte er durch. Das gab den nächsten Rüffel und da ich wirklich Schmerzen hatte, reichte ein verbaler Einlauf, um dem Pferd klar zu machen, dass er gerade eine Grenze überschritten hatte.
Selten ist mein Jungpferd so kleinlaut neben mir her gelaufen…
Heute habe ich eine fiese Brandblase unter dem Ringfinger und: Erziehungspläne. Mein Pferd führe ich heute schön selbst von der Wiese…… Mit Gerte, Führkette und:
Handschuhen.