Verfasserin: Katharina 


Manchmal hat man so ein Bauchgefühl.
Ich war ungefähr 15 oder 16 Jahre alt, hatte zu dem Zeitpunkt mein erstes Pferd bereits einige Jahre am Haus stehen und wir hatten uns irgendwie aufeinander eingespielt.


Eine unserer Beschäftigungen war das Fellkraulen. Der Herr hatte nach einiger Zeit herausgefunden, dass dieser junge Mensch hervorragend geeignet war, um sich die, aus Pferdesicht schlecht zu erreichende, Schweifrübe kratzen zu lassen.


Soweit so gut.


Eines Tages wurde unsere Routine allerdings von Außenstehenden mit Pferdekenntnissen beobachtet. Diese waren entsetzt von der Situation, derer sie gerade Zeuge wurden:
Das Pferd kommt auf das Mädchen zu gelaufen, im flotten Trab.  Es bleibt vor ihr stehen und dreht ihr dann die vollblütig trainierte Hinterhand zu.

Für mich völlig selbstverständlich die höfliche Anfrage: "Rübe kratzen?"


Für den Rest: "Er droht ihr!  Das darf er nicht."
Ein Pferd darf dem Menschen niemals absichtlich die Hinterhand zuwenden...
Das war das Fazit aus vielen Unterhaltungen in dieser Zeit.


(Nach 20 gemeinsamen Jahren kratze ich, nebenbei bemerkt, immernoch die Schweifrübe des mittlerweile sehr stark ergrauten Herrn.
Aber das nur am Rande.)


Im Laufe der Jahre habe ich also das Verhalten meines Pferdes als "einzigartig" eingestuft, denn mein Bauchgefühl sagte "der meint das nicht böse." 

Also... dieses Pferd darf das, aber eigentlich ist das nicht normal und andere Pferde tun das nicht.


Zugegeben, ich habe der gesamten Begebenheit keine große Beachtung mehr geschenkt.

Bis 2016.


Zwei Jahre zuvor hatte nämlich der Friese bei mir Einzug gehalten. Ein Skeptiker gegenüber dem Menschen und unangezweifelter Chef unserer Pferdeherde.


Und dieser Friese hatte seltsame Vorlieben. Er vergöttert nämlich, bis heute, dieses oben erwähnte, mittlerweile sehr alte Pferd.
Und er hat in diesem Zusammenhang einige seltsame Dinge beobachten können, im Laufe der Zeit. 

Zum Beispiel gewisse Kraulgewohnheiten.


Und so kam es, dass nach 2 Jahren friedlichen und ereignislosen Mistens des Paddocks, eines Tages ein schwarzer Po vor mir geparkt wurde und sich langsam rückwärts auf mich zu bewegte.


Meine erste Reaktion war lautstark: "Hey, was soll das denn?  Spinnst du?"


Es war definitiv nicht die Reaktion, die er von mir erwartet hatte. Er machte einen Schritt nach vorne, drehte sich um und guckte mich an. Aber was kann ein Pferd, denn erwarten, dachte ich mir, wenn es rückwärts Kurs auf einen Menschen hält?
In diesem Moment hatte ich wieder dieses Bauchgefühl und...


...kratzte ihm die Schweifrübe.


Seitdem ist wieder über ein Jahr vergangen. Die Schweifrübe ist ständig wechselnden Lieblingsstellen gewichen. Das skeptische Pferd ist Vergangenheit. Und er findet mittlerweile tatsächlich ALLE Menschen gut.


Mein Fazit?


Jedes Pferd hat eine eigene Persönlichkeit. Wenn man sich die Mühe macht, diese zu erkennen, dann eröffnet das neue Wege in der Arbeit und im Umgang mit den Pferden.


Konkret heißt das für uns:
ein kurzes Kraulen des Mähnenkamms oder des Widerrists während einer Reiteinheit wirkt motivierend auf meinen Schwarzen.

Motivierender noch als ein bestärkendes "Braaaaav."


Denn auch wenn wir gerade über Sinn und Unsinn einer Vorhandwendung diskutieren-  in jedem Fall ist Kraulen  eine Rückbesinnung auf das Wichtigste:


Nämlich, dass wir uns mögen!