Oder auch: „Ich habe die Esk…-schabracken der Kollektionen der letzten 35 Jahre zuhause – aber guter Reitunterricht / vernünftiges Futter / ein guter Pensionsstall sind mir zu teuer.“

Verfasserin: Julia 

 

Achtung, liebe Esk…..-Suchtis, die ihr schon der neuen Kollektion entgegen fiebert und heute schon überlegt, welches Poloshirt ihr morgen zum xy-Schlagmichtot-Farbton der jüngsten Erwerbung anziehen sollt:

 

Dies hier ist für euch.

….. aber ihr werdet es nicht mögen.

 

Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie viel Geld Menschen auszugeben bereit sind, wenn es um ihre Optik geht.
Da sind Millionärsgattinnen, die sich 1000 Schönheits-OPs hingeben, oder Michael J., der von schwarz auf weiß und von Mann zu Frau ging. Wieder andere geben ein Vermögen für Klamotten aus, und das kann ich ja sogar irgendwie ansatzweise nachvollziehen.

 

Kleider machen Leute. 

Steckt einen Menschen in Frack und Krawatte und gebt ihm teure Schuhe und Hosen und die Wahrscheinlichkeit, dass ihr mit ihm auf ein Date gehen würdet, ist ungleich höher, als wenn er verdreckt und lumpig vor euch steht.


„Mehr Schein als Sein“, sagt man auch gerne, und das sollen Klamotten doch auch mit uns machen: Uns upgraden, uns schöner machen, dafür sorgen, dass wir uns besser fühlen oder aber zumindest wohl in unserer Haut. Andere sollen uns anschauen und sagen: „Mensch, der/die sieht gut aus.“ Zumindest aber nicht abstoßend. Oooooohs“ und „Aaaaahs“ soll es regnen. Die zu kurzen Beine oder breiten Hüften sollen optisch weggemogelt werden.

Ich glaube, das versuchen manche Menschen auch mit ihrer Reiterei.

„Wenn Sattelkranz und Stiefelschaft so glitzern, dass die Mitreiter geblendet werden, dann sehen die die Schlaufzügel vorne bestimmt gar nicht mehr.“ – „Mensch, dank der Plum-Aubergine-Schabracke sieht man den Unterhals deines Pferdes kaum noch.“ – „Wow, mit den neuen Gamaschen fällt gar nicht mehr auf, dass dein Pferd Trageerschöpfung hat.“

 

Die Forscher Adam Galinsky und Hajo Adan fanden heraus, dass Kleidung überdies Einfluss auf unser Wohlbefinden und unsere Leistungsfähigkeit hat [1]. Probanden, die einen Laborkittel tragen müssen, können eine ihnen gestellte Aufgabe besser lösen als Leute in Shorts und Flip Flops. Dr. Jenniger Baumgartner geht sogar noch weiter und behauptet: Stil-Fauxpas sind ein Zeichen ungelöster innerer Konflikte [2].

 

Wow. 

Ich muss echt Probleme haben. 

Dabei gelten doch gerade gut angezogene Lehrer als intelligenter...[3]

 

Nun bezweifle ich, dass ein Feldversuch mit Pferden Ähnliches zutage bringen würde. Ich jedenfalls stelle keinen Unterschied im Verhalten meiner Wallache fest, wenn das Stirnband Swarov….-Steine besitzt oder nicht.

 

Wohl aber fühle ich mich besser, wenn ich halbwegs adrett angezogen auf dem Pferd sitze und auch selbiges einen halbwegs gepflegten Eindruck macht. 

Als ich professioneller und ernstzunehmender wirken wollte, weil ich besser wurde, habe ich mir erstmal neue Klamotten zum Reiten gekauft. 

 

Gut, abgetragene Klamotten aus dem Alltag wandern auch heute noch bei mir mit in den Reitstall und werden dort bis zum Ableben angezogen. Aber vielleicht nicht grade dann, wenn ich einen Vortrag moderiere oder einen Reitkurs organisiere, zu dem Leute von extern kommen. Da bin ich dann schon eitel.

 

Das Ganze nimmt aber nie so Überhand, dass ich die neue Schabracke einem Buch, einer Reitstunde, einem Vortrag oder dem Tierarzt bei Kolik vorziehe. Ich investiere mein Geld nunmal lieber, um mich reiterlich zu verbessern, als um besser auszusehen.

 

Das ist jedoch leider vielen Menschen schnurz. Und sie bewerten fieserweise alle anderen auch nach der Optik.
Ich kenne Leute, die können klasse reiten, wirklich. Das wird aber leider nur selten realisiert, weil sie völlig altbacken daherkommen, unmodisch. Einfach kein Augenschmaus.
Und dann gibt es Mädels, die Modelmaße und tolles langes Haar haben und schöne Gesichter. Die ihr Zahnpastawerbungslächeln lächeln und dabei fotografiert werden, wie sie ihrem Pferd mit den perfekt manikürten Fingernägeln durch die Mähne fahren. 

 

Wow, denke auch ich mir, wenn ich ein schönes Bild sehe. Das ist natürlich optisch ansprechender als die Pummelfee im Schlabberpulli neben dem frisch panierten Pony.
Dumm nur für das Model, dass ich sie regelmäßig dabei beobachtet habe, wie sie ihr ach so geliebtes Pferd zu Unrecht schlug, es an der Wand bremste und ihm das Gebiss quer durchs Maul riss. Dabei war das Outfit leider das Einzige, was schön war. Da halfen auch der zur Schabracke farblich abgestimmte Pullover und die neuen Lederstiefel nichts mehr, das Bild war und ist dahin. 

 

Die Dame hat auf Instagram übrigens mehr als 1000 Abonnenten….

 

(vielleicht bräuchten die Pferde-lehren endlich mal besser angezogene Autoren!)

 

Ist es nun also nicht verwerflich, sich zum Reiten schön zu machen? Immerhin fühlt sich der Reiter wohler und professioneller und reitet so eventuell auch konzentrierter oder bedachter, wovon auch das Pferd profitiert. Die Chancen auf Erfolg werden auch im Job immerhin um 20% gesteigert, wenn ein Mann in gut passendem Anzug zur Arbeit erscheint [4].

 

Die Antwort lautet:

 

Nein, es ist nicht verwerflich. Dem Pferd ist es schlicht wurscht und wenn es euch damit besser geht: bitteschön.

 

Vergesst aber bitte vor lauter schönem Schein die Realität nicht: 

 

Man kann top aussehen, aber trotzdem richtig kacke reiten. 

(Und andersrum.)

 

Da hilft dann auch die Platinum-Kollektion nichts mehr…..