Verfasserin: Katharina 

 

Wie schön sind doch die sozialen Medien.  Ein wunderbarer Ort Gleichgesinnte zu finden, oder Vorbilder. Und herrlich geeignet auch zur Selbstdarstellung.

 

Gekennzeichnet mit #Seelenpferd oder #Pferdeliebe findet man tausende geposteter Fotos von glücklich lächelnden Menschen mit dem liebsten Pferd. 

 

Stört mich etwas daran?  Nein.

Naja...Vielleicht doch. 


Obwohl "stören" nicht das richtige Wort ist. 
Und es ist nicht die Tatsache, dass Menschen ihre Pferde lieben und das mitteilen wollen. Es ist vielmehr das,  was die Bilder darunter tragen. 

Die Garnitur der Bilder, sozusagen:
Die Sprüche!

 

"Das Pferd ist dein Spiegel,es schmeichelt dir nie..." 


Ein fantastisches Zitat.  Gern genutzt um ein romantisch wirkendes Pferdebild damit zu versehen.

 

(Rudolf G. Bindings "Reitvorschrift für eine Geliebte" ist, nebenbei bemerkt, wirklich absolut lesenswert. Den gesamten Text zu diesem beliebten Zitat gibt's übrigens als ebook für unter 2,-. 
Die Anschaffung lohnt sich.)

 

Diese Zitat- und Sprüchemode ist ja eigentlich zu befürworten - es beschäftigen sich Menschen mit egal welcher Art von Literatur und wollen kurze, prägnante Aussagen treffen.

 

Das ist toll! 

Aber mal ehrlich... Das ganze ist mal mehr ein optischer Genuss, mal weniger... 

Unter einem Foto mit einem völlig falsch oder zu eng verschnallten Reithalfter kann ich doch nicht Astrid Lindgren zitieren: 


„Lass dich nicht unterkriegen , sei frech und wild und wunderbar!“

 

Was ist denn an einem zu engen Nasenriemen wunderbar?  


Nichts. 


Oder ist der Mensch wunderbar, obwohl er nicht richtig trensen kann?!
Wie ich es drehen und wende...wunderbar ist einzig das Pferd,  weil es den Reiter nicht direkt in den Dreck befördert.

"Frech" ist allerding richtig. Allerdings nur der Reiter dem Pferd gegenüber.
Und "wild" kann es ja nun nicht werden, wenn die Nasentrompete Dank des Riemens abgeklemmt ist und jeder Atemzug Mühe macht.

Und ich gehe jede Wette ein, wenn sich das Pferd "nicht unterkriegen" lassen und dem Menschen mal ein klares Feedback geben würde, was es von der Ausrüstung und der Reiterei eigentlich hält, dann gäbe es morgen die Schlaufzügel rein und eine Menge Ärger.

 

Folgerichtig wäre nicht Frau Lindgren angebracht, sondern eine Zitat des Reitmeisters Salomon de la Broue. Der wusste nämlich schon im 16. Jahrhundert: 

 

"Die Leichtigkeit im Maul geht der Leichtigkeit des ganzen Pferdes voraus."

 

Und dann würde das Bild auch wieder mit der Aussage zusammenpassen. Ein zusammengeschnürtes Pferdemaul mit straffen Zügeln, das jede Abwehr des Pferdes im wahrsten Sinne des Wortes "unterbindet" zusammen mit "wild" und "frei"  und "wunderbar".

 

Das ist dann ein literarisches Stilmittel und nennt sich IRONIE.

 

Gerne gepostet sind auch spektakuläre Schenkelgänger- Trabbilder, auf denen der Reiter auf dem Pferd sitzt, als ob ihm der Wind mit Stärke 9 ins Gesicht wehen würde. 


Darunter steht vollmundig:
"Reiten. Das Zwiegespräch zweier Seelen, das dahin zielt, den vollkommenen Einklang zwischen ihnen herzustellen." 

 

Pssssssst....leise!
Hört ihr auch das Rumpeln?

 

Das ist Waldemar Seunig.
Er dreht sich im Grabe herum.

 

Der einzige Einklang in solch einem Fall entsteht dadurch, dass das Pferd dafür sorgt, den Reiter nicht zu verlieren:
Dank der Zügel zum Festhalten.  


Anders kann man den brettharten Rücken im Trab nämlich gar nicht aussitzen.

Ich könnte ja die Liste der schönen Zitate und absurden Bilder noch unendlich weiter führen...

 

Na gut.  Ein Beispiel noch - weil es so schön ist!

"Passion for horses" liest man auch oft als  Untermalung der, auf den ersten Blick, spektakulären oder beeindruckenden Bilder. 


Dass da eine Zunge aus dem Maul flattert, der Kandarenzügel stramm ist oder der Sporen im Pferd fest steckt, das interessiert wen?!

 

Das ist übrigens wieder ein sehr tolles Stilmittel der Literatur.
Nennt sich EUPHEMISMUS. (Eine beschönigende Umschreibung für eine eigentlich negative Sache)

 

Soll das dann eine Überprüfung sein, was vom Deutschunterricht noch so hängengeblieben ist oder erhofft man sich, dass wir über sowas hinwegsehen?!

 

Will man sich die eigene Reiterei schön reden oder hat man tatsächlich kein Auge dafür, was Biomechanik, feines Reiten oder passende Ausrüstung ist?! 

Ich setze mich in diesen Momenten auf meine Finger, um nicht aus Versehen sarkastische Rauten in den Kommentaren einzufügen: 

#pipilangstrumpf_ichmachmirdiewelt #Pinocchio
#richtigreitenreicht

 

"Hab also Acht, Reiter, auf dich selbst. Ist dein Pferd stützig, heftig, ungefügig, so dürfen wir kecklich die Behauptung aufstellen, dir gebricht es an liebenswürdigem Charakter und richtiger Methode." (Pluvinel)